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Nachhaltige Kühlung aus Papier

Beitrag vom 25. Juli 2024

Nachhaltige Kühlung aus Papier

Nachhaltige Kühlung aus Papier – easy2cool aus Lichtenfels produziert aus recyceltem Altpapier Kühlsysteme für den Versand frischer oder tiefgekühlter Waren. Unter den Kunden: Hello fresh.

Die Geschichte von easy2cool beginnt mit zu warmem Bier. Beim Festival „Rock im Park“ in Nürnberg. Marco Knobloch und Sebastian Leicht grübeln auf dem Campingplatz darüber, wie sie ihre Vorräte auch ohne Strom schön kühl halten könnten…

Chef auf Rohstoff: Sebastian Leicht, einer der beiden Geschäftsführer, sitzt auf Altpapier. Mehrere Tonnen davon werden hier täglich im Drei-Schicht-Betrieb verarbeitet.
Chef auf Rohstoff: Sebastian Leicht, einer der beiden
Geschäftsführer, sitzt auf Altpapier. Mehrere
Tonnen davon werden hier täglich im Drei-Schicht-Betrieb verarbeitet.

Das war vor zehn Jahren. Heute sind die beiden Geschäftsführer, easy2cool gilt als Spezialist für mobile und nachhaltige Versandkühlung. Die Firma hat diverse Preise gewonnen – und mittlerweile 110 Beschäftigte! aktiv hat das Unternehmen im bayerischen Lichtenfels besucht.

Hier werden täglich rund 20 Tonnen Altpapier verarbeitet, im Drei-Schicht-Betrieb. Größtenteils sind es Stanzabfälle aus zahlreichen Kartonagefabriken, die von easy2cool zerschreddert werden. Die Zelluloseflocken landen als Füllung in Isoliertaschen aus Papier.

Recyclingmaterial für die Füllung: Steffen Biehl, Leiter Business Development, zeigt, wie die Isoliertaschen von innen aussehen.
Recyclingmaterial für die Füllung: Steffen Biehl,
Leiter Business Development, zeigt, wie die Isoliertaschen von innen aussehen.

Die Sache nennt sich „paperfloc“ und ist in Kooperation mit dem Institut für Naturstofftechnik der TU Dresden entstanden. Weil die Füllung bei der Herstellung wie auch bei der Entsorgung 95 Prozent weniger CO2 erzeugt als geschäumtes Polystyrol alias Styropor, gilt sie als besonders nachhaltiges Wärmeisolationsmaterial. Verwendet wird es zum Beispiel in Kühlboxen oder für den professionellen Kühltransport. Nach Gebrauch können die Isoliermatten einfach zurück ins Altpapier gegeben und erneut aufbereitet werden.

Nachhaltige Kühlung aus Papier – Betriebsbeginn in Opas Garage

Wie viele erfolgreiche Firmen startet auch easy2cool in einer Garage. Nach dem Festival mit den zu warmen Getränken beginnen Knobloch und Leicht, in der Garage von Leichts Großvater zu tüfteln. „Anfangs war es eher ein Hobby. Wir wollten eine nachhaltige Kühlmethode schaffen – aber das war nicht so einfach wie gedacht“, erinnert sich Leicht heute.

Zunächst versuchen die beiden sich an Kühlakkus, packen „Wasser in Tüten“. Dazu schaffen sie eine gebrauchte Maschine an, probieren immer weiter herum und haben schließlich ein marktreifes Produkt. Bald schon verkaufen sie ihre ersten Kühlakkus an umliegende Metzgereien und Lebensmittelhändler. „Wir haben einfach dort angerufen und gefragt“, erklärt Leicht. Lange wird es dann nicht mehr dauern, bis sie selbst von den Kunden angerufen werden – zum Beispiel von Hello fresh, dem bundesweit bekannten Kochbox-Versender.

Wasser in Tüten: Produktionsleiter Nico Lindner befüllt Kühlakkus für den B2B-Bereich. Die Akkus für Privatkunden sind blau.
Wasser in Tüten: Produktionsleiter Nico Lindner
befüllt Kühlakkus für den B2B-Bereich. Die
Akkus für Privatkunden sind blau.

Leicht und Knobloch merken, dass ihre Akkus zwar beliebt sind, die Kunden aber nach einem Gesamtkonzept suchen und nicht Akkus, Karton und Isolation einzeln kaufen wollen. Also machen sie sich an die Entwicklung. „Wir wollten eine ökologische Lösung mit einem recyclingfähigen Rohstoff und sind deshalb bald auf Cellulose als Isolationsmaterial gekommen“, erzählt Leicht.

Nach einem Jahr ist die Garage zu klein, easy2cool zieht in die heutigen Produktionshallen in der Kreisstadt Lichtenfels um. Die Entscheidung für den Standort fiel nicht schwer: „Ich bin hier zur Schule gegangen, kenne die Gegend und die umliegenden Unternehmen. Zudem ist Oberfranken ein guter Standort, um europaweit auszuliefern.“

Papier zum Kühlen: Drita Ajeti mit frisch
produzierten Isoliertaschen.
Papier zum Kühlen: Drita Ajeti mit frisch produzierten Isoliertaschen.

Die Firma entwickelt sich weiter, hat Erfolg, nicht nur bei den Kunden: 2018 Deutscher Verpackungspreis, 2022 Bayerns Best 50, 2023 Deutscher Verpackungspreis in der Kategorie Nachhaltigkeit, 2024 Worldstar Global Packaging Award. „Die Preise sind für uns die Bestätigung, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden“, sagt Leicht.

Nicht alles bei easy2cool ist aus Papier, die Firma produziert nach wie vor auch Kühlakkus. „Hier ist etwas anderes als Kunststoff schwierig, weil das Material große Temperaturschwankungen aushalten muss, damit die Flüssigkeit nicht ausläuft“, erklärt der Geschäftsführer. „Da, wo Kunststoff richtig und wichtig
ist, verwenden wir ihn auch.“ Aber nachhaltig: So kann das Außenmaterial aus Mono PE zu 100 Prozent recycelt werden.

Nachhaltige Kühlung aus Papier – Ein Azubi ist 59 Jahre jung

Im firmeneigenen Labor wird zum Beispiel in Klimaschränken getestet, wie frische Lebensmittel oder tiefgekühlte Fertiggerichte auf Temperaturwechsel reagieren. Konfektionierung ist ebenfalls im Programm: Kunden liefern ihre Produkte zu easy2cool, dort werden sie dann verpackt und verschickt. Mit Licopharm ist ein medizinischer Ableger entstanden, der sich auf Versand und Kühlung von Medizinprodukten spezialisiert hat.

Zur Unternehmenskultur sagt Leicht: „Mir ist es egal, wie die Leute sind, wenn sie Lust auf den Job haben. Wir sind sozusagen ein Paradiesvogel, ganz bunt gemischt. Unser ältester Azubi ist 59, er wird Packmitteltechnologe.“

Übrigens: Eine Lösung für das Ursprungsproblem gibt es inzwischen auch. Die Isolierbox „Festival Cooler“ hält Getränke und Lebensmittel ohne Strom bis zu vier Tage lang kühl. Warmes Bier – das muss ja wirklich nicht sein.

Isolierbox für kalte Getränke: Vertriebsleiter Mirko Cyron mit dem „Festival Cooler“.
Isolierbox für kalte Getränke: Vertriebsleiter Mirko Cyron mit dem „Festival Cooler“.

„Nachhaltige Kühlung aus Papier“ – ein Artikel von Tanja Wessendorf. Erschienen am 20. Juli 2024 in der Wirtschaftszeitung aktiv

FOTOS: AKTIV / GERD SCHEFFLER (7)


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