30 Jahre nach dem Neustart
Beitrag vom 21. Juli 2022
30 Jahre nach dem Neustart – Zäsur in Altenburgs Tradition: 1992 begann Fachschulausbildung für die papierverarbeitende Industrie
Der würdige Bachsaal des Altenburger Schlosses bildete dieser Tage den feierlichen Rahmen für eine ganz besondere Exmatrikulation von Fachschulabsolventen des Beruflichen Schulzentrums Johann Friedrich Pierer. Die acht Männer, die ihre Berufsurkunden als „Staatlich geprüfter Papiertechniker mit dem Schwerpunkt Papierverarbeitung“ erhielten, vollenden in Altenburg 30 Jahre Technikerausbildung für die papierverarbeitende Industrie. Ein bemerkenswertes Jubiläum.
30 Jahre nach dem Neustart – Die Anfänge reichen weit zurück
Die Anfänge dieser Ausbildung in der Skatstadt reichen sogar bis ins Jahr 1934 zurück, als Europas erste Fachschule für Kartonagentechnik am Altenburger Technikum gegründet wurde: Eine Gedenktafel am Haupteingang dieses Gebäudes in der Darwinstraße 1, das seit 2008 als medizinisches Gesundheitszentrum dient, weist direkt auf jenes Gründungsdatum hin.
Das DDR-Ingenieurstudium, das dann in den Fünfzigerjahren begann, endete abrupt mit der deutschen Wiedervereinigung. Und da alle Versuche, die regionalen Ausbildungstraditionen der Papiererzeugung und der Papierverarbeitung auf dem Niveau einer Fachhochschule weiterzuführen, scheiterten, entschloss sich die Schulleitung in Absprache mit den Industrieverbänden 1992, eine Fachschulausbildung anzubieten: zuerst als Direktstudium und nach der Fusion mit dem Staatlichen Berufsschulzentrum für Gewerbe und Technik als Fernstudium – das es so bisher in Deutschland nicht gab.
Der ehemalige Fachschulleiter Karl-Heinz Nötzold erinnert sich: „Die eigentlich zweijährige Fachschulausbildung wurde auf vier Jahre verteilt und während der zwölf Wochen pro Jahr fand der reguläre Unterricht auch sonnabends statt. Einen Teil des Lehrplanstoffes mussten sich die Fachschüler allerdings im Selbststudium erarbeiten. Durch diese Planung der Lehrinhalte konnte nun zweijährlich eine Fachschulklasse an der Johann-Friedrich-Pierer-Schule immatrikuliert werden.
30 Jahre nach dem Neustart – Papiertechniker werden gebraucht
Die acht Herren, die nun im Bachsaal von Klassenlehrerin Tilly Tschischgale und Schulleiter Ralf Herzer ihre Urkunden erhielten, sind Teil dieser inzwischen 30-jährigen Tradition. Vier Jahre berufsbegleitender Aufstiegsfortbildung liegen hinter ihnen. Den frischgraduierten Technikern waren die Anstrengungen der letzten Wochen deutlich in die Gesichter geschrieben: Abschlussprüfungen und Projektverteidigungen hatten ihnen noch einmal alles abverlangt.
Und sie werden in der Wirtschaft gebraucht. Landrat Uwe Melzer (CDU) nannte in seiner Grußbotschaft beispielhaft die Thüringer Fibertrommel Rositz und das Wellpappenwerk Lucka als zwei führende regionale Unternehmen aus der Verpackungsbranche, wo technisch versierte Führungskräfte jederzeit willkommen sind.
Als Vertreter des Hauptverbandes für die papierverarheitende Industrie war Erik Wölm zur feierlichen Exmatrikulation aus Berlin angereist. Auch er betonte bei seiner Gratulation die Bedeutung des Bildungsstandortes Altenburg: „Eine branchenspezifische Weiterbildung wie in Altenburg ist für die Industrie von großer Wichtigkeit, weil sie die Fachkräfte von morgen ausbildet und die Kompetenz in der Branche sicherstellt und entwickelt.“
Und in den Unternehmen der frischgekürten Techniker aus Bayern, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Sachsen und Thüringen warten nun anspruchsvolle Führungspositionen auf sie. Die beiden Jahrgangsbesten, Patrick Seifert und Benjamin Behnke, hatten schon ihre duale Facharbeiterausbildung zum Verpackungsmittelmechaniker (heute: Packmitteltechnologe) in Altenburg absolviert.
30 Jahre nach dem Neustart – Belastungen durch Pandemie
Im Namen der Fachschüler des Jahrgangs 2018 fasste Daniel Wienert die enormen Belastungen dieses zu beträchtlichen Teilen durch die Pandemie geprägten Fernstudiums zusammen: „Neben den so notwendig gewordenen, zusätzlichen Selbststudien mussten wir natürlich auch den beruflichen und den familiären Alltag in einer Weise organisieren, dass keine maßgeblichen Verpflichtungen zu kurz kamen. Aber die gegenseitige Hilfe unter den Fachschülem selbst und die verständnisvolle Unterstützung durch die Fachlehrer ermöglichten den erfolgreichen Abschluss dieses Fernstudiums.“
Sie wollen sich wiedersehen – bei einem internen Absolvententreffen in der Skatstadt, spätestens in zwei Jahren. Denn 2024 ist im Altenburger Kalender ein Anlass besonders markiert: 90 Jahre Fachausbildung für die papierverarbeitende Industrie.
30 Jahre nach dem Neustart – ein Artikel von Frank Böhme. Erschienen am 18.07.2022 in der OVZ.
Foto: EW